Donnerstag, 23. Juli 2009

Das Apple Iphone im Test

Die Aufregung in den USA war kaum zu übertreffen. Menschenmengen standen sich tagelang die Beine in den Bauch. Von Regen in New York und von Hitze in Los Angeles gebeutelt, warteten die iPhone-Gläubigen geduldig darauf, dass Apple die Türen am Freitag um 18 Uhr für den ersten Verkauf öffnete. Hat sich das lange Warten gelohnt oder war alles nur ein geschickter Marketingschachzug? Unser Kurztest erkundet die innovativsten Neuerungen, deckt zugleich aber auch die ersten Defizite des Neulings auf.Bedienung – Innovation PurEins gleich vorweg: Noch nie konnte man ein Mobiltelefon so einfach und simpel installieren und dabei gleichzeitig mit dem heimischen Computer synchronisieren. Vom Vertragsabschluss bis zur Synchronisation von Kontakten, E-Mail-Konten und Kalendern – alles wird von iTunes übernommen. Musik, Videos und Podcasts verstehen sich bei Apple natürlich von selbst. Je nach Modell hat man dafür vier oder acht Gigabyte Speicherplatz zur Verfügung.Das iPhone ist nur ein wenig länger, dafür aber nicht so breit wie ein iPod und liegt sehr angenehm in der Hand. Der Bildschirm ist unbeschreiblich klar, hell und farbenfroh. Wer dieses Telefon aus der Hosentasche zaubert, zieht garantiert alle Blicke auf sich.Auch im Bezug auf die Benutzerfreundlichkeit hat Apple ordentlich Gas gegeben. Ohne auch nur einen einzigen Blick in das Handbuch zu werfen macht es sofort Spaß, das Telefon zu bedienen. Benötigen die meisten Smartphones noch einen Stylus für die Bedienung, reichen beim iPhone schon die eigenen zehn Finger. Durch „Wischen" und „Kneifen", „Pressen" und „Schnalzen" navigiert man sich dabei ohne spürbare Verzögerung durch die bildschönen Menüs. Verloren geht man dabei nie, denn ein einfacher Druck auf den „Home"-Knopf (eine von nur vier Hardware-Tasten) auf der Vorderseite des Gerätes genügt, um wieder in das Hauptmenü zurück zu kehren. Sogar mit einer Hand lässt sich das iPhone sehr gut bedienen. Der Blick muss hierbei allerdings auf dem Display verweilen, da blindes Ertasten der virtuellen Knöpfe nicht möglich ist.Das Unglaubliche dabei: Die Interaktionen sind genauso flott wie Apple es in seinen Werbefilmen darstellt. Hier wurde ohne Tricks und Falltüren gedreht.Touchscreen und virtuelle TastaturDie leidenschaftlichsten Diskussionen ums iPhone gab es im Voraus zumTouchscreen-Display und zu der virtuellen Tastatur. Wie wird der Anwender diese ungewöhnliche Eingabemethode bewältigen? Ist es möglich, ohne fühlbares Feedback der Tastatur lange Texte zu verfassen?Fingerfreundliche IconsZum aktuellen Zeitpunkt können wir nur teilweise Entwarnung geben. Zwar ist es überhaupt kein Problem, sich durch die verschiedenen Menüs zu hangeln oder die fingerfreundlich großen Icons zu treffen. Bei der Tastatur hingegen könnte, je nach Fingerfertigkeit, Geduld gefragt sein.Selbst iPhone-Besitzer mit großen Fingern dürften von der unkomplizierten virtuellen Tastatur positiv überrascht sein. Schon die erste SMS schrieb sich ohne Probleme. Nur ein Tippfehler schlich sich ein, und selbst der wurde sofort von der intelligenten Fehlerkorrektur verbessert.Leistungsfähige FehlerkorrekturDie ersten Schreibversuche gestalten sich dabei zugegebenerweise noch etwas zäh. Zu neuartig ist das Gefühl der virtuellen Tastatur. Frustrierend ist die Nutzung wegen des fehlenden Feedbacks – es gibt keinen Druckpunkt – dabei allerdings trotzdem nicht. Der eingebauten Fehlerkorrektur zu vertrauen, ist hierbei das Geheimnis. Mit jeder Textnachricht wächst das Zutrauen in die Tastatur. Bei längerer Erfahrung sollte sich das Schreiben daher nochmals deutlich beschleunigen. In unserem eingehenden Testbericht am Montag werden wir schlauer sein.Für den internationalen Gebrauch scheint die Tastatur aber zurzeit nicht brauchbar zu sein, da die Tastatursprache und das Wörterbücher nicht zu wechseln sind. Eine deutsche SMS konnte daher nicht ohne Probleme verfasst werden: Die Fehlerkorrektur drängt sich ständig mit englischen Alternativen auf. Hier sollte Apple flexibler sein.EntertainmentFast jedes 08/15-Mobiltelefon bietet heute eine MP3-Funktion. Die meisten Handynutzer verwenden den integrierten Player allerdings nur selten und nehmen stattdessen einen Extra-MP3-Player mit. Warum? Weil er oftmals um einiges einfacher zu bedienen ist.Schnalzen als NavigationshilfeMit dem iPhone hat sich Apple etwas ganz Neues einfallen lassen. Anstatt per altbekannten Scrollwheel durch seine Musikkollektion zu navigieren, schnalzt man sich jetzt mit dem Zeigefinger von Abba über Robbie Williams bis zu Xavier Naidoo. Das funktioniert einwandfrei, zwar nicht besser als beim iPod, aber mindestens genauso gut.Alternativ: Dreht man das iPhone auf die Seite, kann man sich wie bei einer Jukebox durch seine Album Cover (sofern vorhanden) schnalzen. Doch es ist eindeutig die perfekte iTunes-Integration, die das iPhone auf den Spitzenplatz bei den Musikhandys katapultiert. Sehr gut gelöst: Auf der rechten Seite des Bildschirms findet sich eine kleine Alphabetleiste, über die man sofort zum gewünschten Buchstaben springen kann.Langsames Internet und fehlende FunktionenDoch das iPhone ist nicht perfekt. Zwar klappte der erste Test ohne größere Probleme, dennoch ist uns aufgefallen, dass einige Grundfunktionen jetzt mehr Zeit in Anspruch nehmen als bei den altbekannten Geräten. Ist das Telefon beispielsweise im Standby-Modus, braucht man mindestens vier Schritte – Aufwecktaste drücken, Tastatur freigeben, Telefontaste drücken, und Nummer auswählen –, bis man einen Anruf machen kann. Das ist ein Schritt in die falsche Richtung.Auch stören noch ein paar kleinere Ungereimtheiten in der Software. Zum Beispiel muss man während der Texteingabe erst auf eine zweite Tastaturansicht umschalten, bevor man Zugriff auf die Zeichensetzung hat. Stellen Sie sich also jetzt schon einmal auf SMS ohne Punkt und Komma ein.UMTS FehlanzeigeDie größten Mankos des iPhone liegen allerdings in den fehlenden Hardwarefunktionen des Telefons. UMTS etwa unterstützt Apples Erstling nicht. Hier muss man stattdessen mit dem erheblich langsameren EDGE vorlieb nehmen. Für ein Mobiltelefon dieser Preisklasse ist das schwach. Steve Jobs erwidert auf Kritik, dass die heutigen UMTS-Chips zu viel Batterieleistung verbrauchen und zuviel Platz wegnehmen. Das iPhone hätte an Ergonomie verloren. Die europäischen Konsumenten werden entscheiden, ob dies der richtige Weg war.Auch GPS wird manch ein Nutzer vergeblich in seinem iPhone suchen. Das mitgelieferte Google Maps macht zwar riesig Spaß, ersetzt aber kein vollwertiges GPS-System. Wem GPS-Navigation im Handy ans Herz gewachsen ist, sollte vielleicht lieber auf die zweite iPhone-Generation warten.Apple verzichtet auf MMSEinfach nur verwunderlich ist die fehlende MMS-Unterstützung. Warum das iPhone diese Basisfunktion nicht beherrscht, ist uns ein absolutes Rätsel. Nicht einmal empfangen kann das iPhone die Multimedia-, Video- und Bildnachrichten. Natürlich können anstelle von MMS auch E-Mails verfasst werden, aber nicht jeder kann diese auch auf seinem Handy empfangen. Auch in diesem Falle kann nur auf ein Software-Update gehofft werden.FAZITEs jedem Recht machen kann das iPhone nicht. Zu hoch waren die Erwartungen an das erste Apple-Handy. Im Großen und Ganzen ist der Firma aus Cupertino der Eintritt in den Mobilfunkmarkt aber sehr gut gelungen. Das iPhone hält, was es verspricht, besonders im Multimediabereich, und beeindruckt mit einer Hand voll innovativer Neuerungen. Zwar fehlen dem iPhone wichtige Grundfunktionen wie MMS und Sprachwahl, jedoch könnte Apple diese Versäumnisse per Software-Update ausbessern. Kostenlose Updates hat die Firma ihren Kunden nämlich bereits versprochen.Wer GPS und UMTS im Handy unbedingt braucht, sollte sich lieber bei der Konkurrenz umsehen. Diese Funktionen kann Apple nämlich nicht mit einem einfachen Software-Update nachliefern. Auch extreme Vielschreiber sollten vielleicht lieber zu einem der traditionelleren Modelle greifen.Für alle anderen, besonders Apple Fans, aber hat sich das Warten definitiv gelohnt. Steve Jobs konnte sein Versprechen halten: Das iPhone ist der Konkurrenz in Sachen Software um Jahre voraus. In manchen Aspekten vielleicht sogar ein wenig zu sehr.Eins aber ist auf jeden Fall klar: Das iPhone zu benutzen macht einen Riesenspaß. Das ist doch schon mal was.

Orignal From: Das Apple Iphone im Test

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